Ausgabe Nr. 93 (Winter 2024/25)

UNTERWEGS IN FRANKREICH

Provence-Alpes-Côte d'Azur / Aude

Zitronen - Der Duft von Hartnäckigkeit

 

Menton wird nicht zufällig als « Hauptstadt der Zitronen » bezeichnet. Eine Legende besagt, dass Adam und Eva bei ihrer Vertreibung aus dem Paradies einige Souvenirs mitgenommen haben, Eva angeblich eine Zitrone als Symbol für das verlorene Paradies. Als die beiden die Mittelmeerküste erreichten, dort wo sich heute Menton befindet, habe sich Eva angesichts der herrlichen Gegend und des milden Klimas an die Reize des Garten Edens erinnert gefühlt. Sie sei verzaubert gewesen und soll die « goldene Frucht » eingegraben haben, in der Hoffnung, die paradiesische Atmosphäre von einst aufleben zu lassen. Diese Sage ist zwar schön, doch die Geschichte der Zitrone hatte in Menton nicht nur idyllische Seiten. Obwohl sie wesentlich zum Renommee der Stadt beigetragen hat, war ihr das Schicksal nicht immer wohlgesinnt. Beinahe wäre sie sogar verschwunden, hätten sich nicht glücklicherweise einige hartnäckige Menschen für ihre Renaissance eingesetzt.

Centre-Val de Loire / Loir-et-Cher & Indre-et-Loire

Mit Ronsard vom Loir an die Loire

Auf den Spuren der "Leichtigkeit des Seins à la Française"

Am 11. September 1524, also vor genau 500 Jahren, erblickte der Dichter Pierre de Ronsard (1524-1585) am Ufer des hübschen Flusses Loir, rund 30 Kilometer westlich von Vendôme (Centre-Val de Loire), das Licht der Welt. Ihm, den man in Frankreich gerne le Prince des Poètes et le Poète des Princes (Fürst der Dichter und Dichter der Fürsten) nennt, hat das Land einige seiner schönsten lyrischen Werke zu verdanken. Seine Themen – die Bedeutung der Liebe und die Schwierigkeit zu lieben, die Vergänglichkeit der Zeit, die Notwendigkeit, jeden Tag zu genießen, oder die Verbindung von Mensch und Natur – haben heute immer noch nichts von ihrer Aktualität verloren. Anlässlich seines 500. Geburtstages haben wir uns auf seine Spuren begeben: von Manoir de la Possonnière, wo er das Licht der Welt erblickte, zum etwa 50 Kilometer südlich gelegenen Prieuré Saint-Cosme am Ufer der Loire, wo er seine letzten Jahre verbrachte. Zwischen Loir und Loire konnten auch wir die Leichtigkeit des Seins genießen, die Pierre de Ronsard vor 500 Jahren in dieser Region so schätzte.

Okzitanien / Aveyron

Das Viadukt von Millau

Zwei Jahrzehnte Fahrt über das Wolkenmeer

Majestätisch und spektakulär. Egal, ob man im Tal des Tarn darunter hindurchfährt oder es mit dem Auto überquert, bereits beim ersten Anblick des Viaduc de Millau wird klar, dass diese Brücke aus dem Rahmen fällt: eine zwei Kilometer lange, elegant aussehende Fahrbahn, Schrägseile, die geradezu zierlich erscheinen und unendlich hohe Brückenpfeiler. Eine architektonische Meisterleistung, die Menschen verbindet und gleichzeitig die Staus vermeidet, die das Tal lange Zeit gelähmt haben. In diesem Jahr feiert das Bauwerk, das der Volksmund liebevoll « Eiffelturm des französischen Südens » nennt, seinen 20. Geburtstag. Grund für uns, auf die Geschichte einer bemerkenswerten Talbrücke zurückzublicken, die anfangs verschrien wurde, mittlerweile aber ein heiß geliebtes Symbol ist.

Auvergne-Rhône-Alpes / Puy-de-Dôme

Les Fontaines Pétrifiantes

Wo Wasser zu Stein und Kunstwerk wird

Inmitten der Auvergne haben erkaltete Vulkane im Laufe von Jahrtausenden eine Landschaft mit sanften Hügeln und steilen Hängen geformt. Dort versteckt sich am Fuße des Massif du Sancy ein besonderes Juwel: eine ausgefallene Verbindung von Natur und Kunsthandwerk. Seit sieben Generationen nutzt die Familie Papon in der für ihren Käse berühmten Stadt Saint-Nectaire eine einfallsreiche und gleichzeitig einfache Vorrichtung, um Thermalwasser auf faszinierende Weise allmählich in Stein zu verwandeln und auf diese Weise Kunstwerke zu kreieren. Sie beherrscht damit ein einzigartiges Handwerk: die Kunst der Versteinerung. Bei der Besichtigung ihres Betriebes haben Sie die Gelegenheit, in eine unerwartete Welt einzutauchen und gleichzeitig ein natürliches und kunsthandwerkliches Schauspiel zu erleben. Das Schauspiel nämlich, wie aus einer so alltäglichen Materie wie Wasser etwas Außergewöhnliches – ein Kunstwerk – entsteht.

Okzitanien / Aveyron

Coup de cœur

Die erstaunliche russische Kirche in Sylvanès

Am Rande des Departements Aveyron, wenige Kilometer von der Zisterzienserabtei Sylvanès entfernt, verbirgt sich in einer Höhe von 432 Metern eine erstaunliche Kirche zwischen Pinienwäldern. Die Holzkathedrale im russisch-orthodoxen Stil wurde in Russland konstruiert, in Einzelteilen nach Frankreich transportiert und hier im Winter 1993/1994 identisch wieder aufgebaut. Abgesehen von der ausgefallenen Architektur inmitten der Landschaft des Aveyron hat dieses Bauwerk eine extraordinäre Geschichte.

FRANKREICH HEUTE

Interview - Deutsch-französische Wurzeln

Peter Wohlleben pflanzt Hoffnung

Gerade erschien die französische Übersetzung des neuesten Buches von Peter Wohlleben, „Unser wildes Erbe“. Aus diesem Anlass haben wir den bekannten deutschen Förster und Autor in Paris getroffen. Seine Veröffentlichungen über die Geheimnisse der Bäume sind auf der ganzen Welt bekannt. In diesem exklusiven Interview lässt er uns mehr über seine Vorstellung von Natur, Klima und von der deutsch-französischen Zusammenarbeit in Sachen Umweltschutz wissen. Gleichzeitig erzählt er von seiner Liebe zu Frankreich und vom unerwarteten Erfolg seiner Bücher bei den französischen Lesern. Eine inspirierende Unterhaltung, die hoffen lässt und uns auffordert, unser Verhältnis zur Natur zu überdenken. Und vielleicht sogar gemeinsam von einer nachhaltigen Zukunft zu träumen.

Aktuell

Vendée Globe 2024

Zwischen Performance and Schutz der Ozeane

Am 10. November 2024 stachen 40 Skipperinnen und Skipper jeglicher Herkunft in Sables-d'Olonne (Vendée) für eine ganz besondere Weltumsegelung in See: allein, nonstop, ohne fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen! Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie befinden sich auf einem Segelboot, umgeben von Meer, nichts als Meer. In den Segeln heult der Wind, die Wellen peitschen mit ungeahnter Kraft gegen das Boot. Genau das ist fast drei Monate lang der Alltag der mutigen Abenteurer. Abgesehen von der – nahezu übermenschlichen – Leistung der Teilnehmer setzt sich diese Regatta, besonders diese Ausgabe, aber auch für den Schutz der Ozeane ein, die angesichts des Klimawandels immer mehr in Mitleidenschaft gezogen werden.

ART DE VIVRE

Wein

Domaine de Vodanis, Pays du Vouvray

Die Kunst, Geduld zu üben

Das Weinbaugebiet Vouvray liegt im Herzen der Touraine, am rechten Ufer der Loire und in den Tälern, die die Hochebene westlich von Tours (Indre-et-Loire) durchqueren. Zur ersten Appellation d'origine contrôlée (AOC) der Touraine, die seit 1936 besteht, gehören etwa 150 Weingüter mit insgesamt 2300 Hektar Rebfläche, auf denen nur eine einzige Rebsorte wächst: Chenin blanc, auch Pineau de la Loire genannt. Aus dieser Rebsorte wird jedoch ein breit gefächertes Sortiment an Weinen erzeugt. Die stillen Weine – trocken, halbtrocken, lieblich und Likörwein – sorgen für manche Überraschung, und auch die Schaumweine sind eigenständig und abwechslungsreich. Das reicht von einer ausgeprägten, aber kontrollierten Mineralität der « Extra-Bruts » bis hin zum vollmundigen Geschmack der lieblicheren « Bläschen ». Einige von ihnen stehen einem Champagner in nichts nach. Im Gegenteil. François Gilet von der Domaine de Vodanis ist ein Winzer dieser AOC und hat eine besondere Beziehung zu seinen Reben und seinem Wein. Er ist der Einzige hier, der schon immer ausschließlich Jahrgangsweine erzeugt hat. Begegnung mit einem engagierten und leidenschaftlichen Winzer, für den die Kunst, Geduld zu üben, eine echte Lebensphilosophie ist.

Serie: Typisch französische Produkte (42)`Mauviel 1830: Kochtöpfe vom Feinsten

Für viele Köche – egal, ob Profi oder Amateur – ist es der ultimative Traum, einen Satz Töpfe und Pfannen von Mauviel 1830 zu besitzen. Seit knapp 200 Jahren gehören die Produkte des in der Baie du Mont Saint-Michel ansässigen Familienunternehmens zu den Referenzen, die in den Küchen von Meisterköchen auf der ganzen Welt nicht fehlen dürfen. Die traditionellen Töpfe und Pfannen aus Kupfer, die heute auch in aktuelleren Versionen aus Edelstahl und Aluminium hergestellt werden, sind regelrechte Objekte der Begierde. Doch warum diese Begeisterung? Ein Erklärungsversuch.

Know-How

Burgund: Die Erfolgsgeschichte "Sternengekrönter Linsen"

In einer Zeit, in der unverfälschte und nachhaltige Produkte immer größere Bedeutung erhalten, hat uns die Vorgehensweise einer Landwirtsfamilie in Burgund, in der man seit mehreren Generationen Agrikultur betreibt, sehr beeindruckt. Couragiert und entgegen den üblichen landwirtschaftlichen Methoden der Gegend produzieren drei Brüder außergewöhnliche Linsen, die mittlerweile von vielen sternengekrönten Küchenchefs begehrt sind. Dabei geht es um mehr als « nur » um ein Lebensmittel. Es geht um eine Philosophie, die Boden und Natur respektiert und handwerkliches Know-how aufwertet und letzten Endes um die Wiederentdeckung authentischer Geschmackserlebnisse. Abgesehen davon ist es auch ein großartiges menschliches Abenteuer.

Chantals Rezept
"Ma soupe aux lentilles d'hiver"

« Linsen, die in Frankreich auch liebevoll « Fleisch der Armen » genannt werden, nehmen in meiner Küche einen besonderen Rang ein. Sie sind gesund und nahrhaft, und aus ihnen lassen sich – meist auf einfache Art – unzählige Gerichte zaubern. Als ich erfahren habe, dass unsere Redaktion die Familie Ollin – bekannt für ihre Linsen von herausragender Qualität aus dem Pays Châtillonnais (Côte d'Or) – besucht, habe ich umgehend darum gebeten, mir welche mitzubringen. Diese kleinen wunderbaren Hülsenfrüchte, die von Sterneköchen äußerst geschätzt werden, haben mich dann auf die Idee gebracht, eines meiner Lieblingsrezepte für den Winter mit Ihnen zu teilen: Linsensuppe. Das Gericht ist schnell zubereitet, es schmeckt lecker, ist nahrhaft und wärmt. Ideal also für die kalte Jahreszeit. Bon appétit! »

RUBRIKEN

 

Guéwen a testé…
… die "Gainsbarre" in Paris

Die im September 2023 eröffnete Gainsbarre ist ein besonderer Ort: tagsüber Café, abends Bar. Ihren Namen verdankt sie dem legendären Texter, Komponisten und Interpreten Serge Gainsbourg (1928-1991), der darüber hinaus Drehbuchautor, Regisseur, Schriftsteller, Schauspieler, Maler und mehr war. Die Café-Bar ist Teil des Maison Gainsbourg, einem dem Künstler gewidmeten Museum, und liegt genau gegenüber dem Haus, in dem dieser seinerzeit wohnte.

UND VIEL MEHR...